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Sonae »I Started Wearing Black«

Persönliche Erfahrungen von Liebeskummer bis hin zu politischer Ohnmacht haben dem Ambient-Electro auf Sonaes zweitem Album zum Leben verholfen.

12. April 2018, 19:14
Text: Verena Reygers

Sobald sich elektronische Musik auf menschliche Eigenschaften besinnt, bietet das Berliner Label Monika Enterprise diesem Ansatz auch unabhängig von der Genrezuschreibung Hauntology ein Zuhause – und damit Künstlerinnen wie Gudrun Gut, Barbara Morgenstern oder auch Sonae. Philosophische Greifbarkeit bewies die Kölner Musikerin schon mit dem Titel ihres 2015 erschienenen Debütalbums »Far Away Is Right Around The Corner«. Der Prämisse, Elektronisches organisch anmuten zu lassen, folgten Songtitel wie »Gewitterspaziergang« oder »Hot Summerday«. Auf »I Started Wearing Black« sind die Titel nun abstrakter, die Botschaften aber nicht: »System Immanent Value Defect« ist von einer türkischen Pianistin und Gezi-Park-Aktivistin inspiriert – ein Song, dessen Störgeräusche wie eine Meeresbrandung wirken, bevor maschinelle Beats den Takt angeben.

Die Auseinandersetzung mit der Welt erfolgt bei Sonae auf einer Ebene von Geräuschen vs. Geräuschlosigkeit. Immer wieder durchbrechen Knistern, Rascheln, Schaben und andere organische Effekte die wie von tickenden bis stampfenden Beats beschlagenen Industrial-Landschaften. Ein Pulsieren unter der Oberfläche wirkt genauso nach wie der einzig wüste Noise-Ausbruch auf »White Trash, Rouge Noir«. Klavierakkorde, Vogellaut-Samples oder Stakkato-Schreibmaschinenanschläge menscheln zwischen hintergründigem Rauschen und Störgeräuschen, die sich beim Titeltrack gar von einem mechanischen Stampfen zu Gewehrfeuersalven zu steigern scheinen. Ganz so, als verwandele Sonae Emotionen wie Melancholie, Kummer und Wut in Technoides. Ein Album, so vielseitig wie vielschichtig – zutiefst menschlich halt.